Nach monatelangen Diskussionen über die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf die aktuell geänderten Umstände hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2021 festgestellt, dass die pandemiebedingten Umstände zumindest eine Tatsache sein können, die § 313 BGB zur Anwendung bringen. Wortlaut des § 313 BGB zum Schluss meiner Ausführungen.
Im Einzelnen:
Bisherige Situation?
Die im Rahmen der ersten Corona-Welle ergangene Rechtsprechung verneinte weit überwiegend ein Mietminderungsrecht des Gewerbetreibenden mit der Begründung, das Verwendungsrisiko der Mietsache läge ausschließlich beim Mieter und könne nicht auf den Vermieter abgewälzt werden, sodass die Pflicht zur vollständigen Mietzahlung während der Auswirkungen der Pandemie vollständig aufrechterhalten bliebe (Landgerichte Heidelberg, Urteil v. 30.07.2020, 5 O 66/20; Zweibrücken , Urteil v. 11.09.2020, HK O 17/20; Frankfurt, Urteil v. 02.10.2020, 2-15 O 23/20 und jüngst auch Stuttgart, Urteil v. 19.11.2020, 11 O 215/20).
Teilweise wurde einer Mietminderung jedoch auch stattgegeben: So entschied das Landgericht München I mit Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20, dass die behördlich angeordnete Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts einen zur Mietminderung berechtigenden Mietmangel darstelle. Die Höhe der Mietminderung erfolgte sodann individuell nach den Auswirkungen auf das Gewerbe – bis zu 80 %.
Was ist neu?
Dieser Entwicklung tritt der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich entgegen und avisiert zur Entlastung der mietenden Gewerbetreibenden eine gesetzliche Vermutung zur Störung der Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie an, die den Gewerbemietern eine Mietminderung ermöglichen können soll, wenn die wirtschaftlichen Folgen für den Mieter bei unverändertem Fortbestehen des Mietverhältnisses unzumutbar sind.
Die vom Bundestag beschlossene Regelung zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) lautet:
„Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“
Geschäftsgrundlage des Vertrages, Störung?
Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB tritt eine unvorhergesehene, schwerwiegende Veränderung des zur Grundlage des Abschlusses des Mietverhältnisses gemachten Umstandes ein, bei dem, hätten die Vertragsparteien diesen Umstand vorausgesehen, sie das Rechtsgeschäft nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, sodass das Festhalten an dem Vertrag einem der Parteien nunmehr unzumutbar ist.
Durch die nunmehr folgende Gesetzesänderung wird gesetzlich vermutet, dass sich durch die Corona-Pandemie ein solcher wesentlicher Umstand schwerwiegend verändert hat.
Prüfung im Einzelfall
Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage bleibt jedoch im Sinne des bereits jetzt geltenden § 313 BGB die Interessenabwägung im Einzelfall, denn die Partei des Mietvertrags muss nach wie vor darlegen können, dass das Festhalten an dem unveränderten Vertrag für sie unzumutbar ist.
Maßgebliche Faktoren der Unzumutbarkeit im Einzelfall sind dabei
- die konkrete wirtschaftliche Situation
- der Umfang der erlittenen Umsatzeinbußen
- die Höhe und der Zeitpunkt von staatlichen Hilfen
Entscheidend bleiben mithin die wirtschaftlichen Folgen einer Vertragsanpassung sowohl für Mieter und Vermieter im konkreten Einzelfall. Genau diese sind vor einer Entscheidung über die weiteren angemessenen Schritte (Anpassung des Vertrages, Rücktritt bzw. Kündigung) gründlich zu prüfen und abzuwägen.
313 Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.