Aktuelles

Mietpreisbremse Berlin, BGH bestätigt am 28.09.2022 Landgericht Berlin

30 Nov 2022

Mit  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 28.9.2022 - VIII ZR 300/21 – hat der BGH in der Revision eine Klage  bereits zur Auskunft über verschiedene Umstände zu  überhöhter Miete rechtskräftig zurückgewiesen. Mieter hatten sich auf auf die „Mietpreisbremse“ in Berlin berufen.

Die Instanzengerichte hatten zuvor ganz richtig festgestellt, dass Anknüpfungspunkt der Prüfung einer vermeintlich überhöhten Miete die Anfangsmiete bei Vertragsbeginn sei. Für den klagenden und sich auf geringere Miete berufenden Mieter wurde Berufung zum LG Berlin und sodann Revision eingelegt, sämtlich erfolglos.

Der BGH hat festgestellt:

1.Nach Vertragsbeginn vereinbarte Mieterhöhungen in Folge der vorbehaltlosen VEREINBARUNG einer sodann höheren Miete sollen danach nicht der zulässigen Prüfung nach den Kriterien der Mietpreisbremse unterliegen.

 2.Im Umkehrschluss könnte dies dazu führen, dass in Folge der nach Anmietung spätere Mieterhöhung und Zustimmung des Mieters eine „neue“ Vereinbarung über die Miethöhe zustande kommt. Diese würde der Überprüfung des Mieters im Hinblick auf eine Rüge der Verletzung der Vorschriften nach der „Mietpreisbremse“ nicht mehr unterliegt. Diese Miete wäre also während des Mietverhältnisses vereinbart worden, also KEINE Miete bei Vertragsbeginn.

Diese per Mieterhöhung „neue“ Miete wäre damit also wirksam vereinbart. Sie könnte nicht mehr gerügt werden.

3. Folglich dürfte bei rügeloser Vereinbarung einer geänderten (regelmäßig höheren) Miete während des bereits bestehenden Mietverhältnisses in Folge der rechtlich als neue VEREINBARUNG zu qualifizierenden Erhöhung und Zustimmung diese höhere Miete dann wirksam vereinbart worden sein und nicht mehr der Prüfung nach Mietpreisbremse unterliegen (rügelos betrifft in diesem Fall eine denkbere Rüge oder Vorbehalt hinsichtlich der Mietpreisbremse).  

 

Tip: Würde man die Entscheidung quasi umgekehrt oder atypisch durchdenken, könnte uU auch eine Vereinbarung einer Senkung der nach Mietpreisbremse „überhöhten“ und damit unzulässig hohen Miete auf einen symbolisch geringeren (jedoch rechtlich noch immer überhöhten) Betrag diese vom BGH bestätigte Rechtswirkung auslösen. 

Ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung nicht auf Indexmietverträge angewendet werden kann.

 

Gewerbemiete Änderung der Geschäftsgrundlage, neu ab 01.01.2021, § 313 BGB

11 Jan 2021

Nach monatelangen Diskussionen über die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf die aktuell geänderten Umstände hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2021 festgestellt, dass die pandemiebedingten Umstände zumindest eine Tatsache sein können, die § 313 BGB zur Anwendung bringen. Wortlaut des § 313 BGB zum Schluss meiner Ausführungen.

Im Einzelnen:

Bisherige Situation?

Die im Rahmen der ersten Corona-Welle ergangene Rechtsprechung verneinte weit überwiegend ein Mietminderungsrecht des Gewerbetreibenden mit der Begründung, das Verwendungsrisiko der Mietsache läge ausschließlich beim Mieter und könne nicht auf den Vermieter abgewälzt werden, sodass die Pflicht zur vollständigen Mietzahlung während der Auswirkungen der Pandemie vollständig aufrechterhalten bliebe (Landgerichte Heidelberg, Urteil v. 30.07.2020, 5 O 66/20; Zweibrücken , Urteil v. 11.09.2020, HK O 17/20; Frankfurt, Urteil v. 02.10.2020, 2-15 O 23/20 und jüngst auch Stuttgart, Urteil v. 19.11.2020, 11 O 215/20).

Teilweise wurde einer Mietminderung jedoch auch stattgegeben: So entschied das Landgericht München I mit Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20, dass die behördlich angeordnete Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts einen zur Mietminderung berechtigenden Mietmangel darstelle. Die Höhe der Mietminderung erfolgte sodann individuell nach den Auswirkungen auf das Gewerbe – bis zu 80 %. 

Was ist neu?

Dieser Entwicklung tritt der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich entgegen und avisiert zur Entlastung der mietenden Gewerbetreibenden eine gesetzliche Vermutung zur Störung der Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie an, die den Gewerbemietern eine Mietminderung ermöglichen können soll, wenn die wirtschaftlichen Folgen für den Mieter bei unverändertem Fortbestehen des Mietverhältnisses unzumutbar sind. 

Die vom Bundestag beschlossene Regelung zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) lautet: 

„Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“

 

Geschäftsgrundlage des Vertrages, Störung?

Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB tritt eine unvorhergesehene, schwerwiegende Veränderung des zur Grundlage des Abschlusses des Mietverhältnisses gemachten Umstandes ein, bei dem, hätten die Vertragsparteien diesen Umstand vorausgesehen, sie das Rechtsgeschäft nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, sodass das Festhalten an dem Vertrag einem der Parteien nunmehr unzumutbar ist. 

Durch die nunmehr folgende Gesetzesänderung wird gesetzlich vermutet, dass sich durch die Corona-Pandemie ein solcher wesentlicher Umstand schwerwiegend verändert hat. 

Prüfung im Einzelfall

Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage bleibt jedoch im Sinne des bereits jetzt geltenden § 313 BGB die Interessenabwägung im Einzelfall, denn die Partei des Mietvertrags muss nach wie vor darlegen können, dass das Festhalten an dem unveränderten Vertrag für sie unzumutbar ist. 

Maßgebliche Faktoren der Unzumutbarkeit im Einzelfall sind dabei 

  • die konkrete wirtschaftliche Situation
  • der Umfang der erlittenen Umsatzeinbußen
  • die Höhe und der Zeitpunkt von staatlichen Hilfen 

Entscheidend bleiben mithin die wirtschaftlichen Folgen einer Vertragsanpassung sowohl für Mieter und Vermieter im konkreten Einzelfall. Genau diese sind vor einer Entscheidung über die weiteren angemessenen Schritte (Anpassung des Vertrages, Rücktritt bzw. Kündigung) gründlich zu prüfen und abzuwägen.

 313 Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

 

ordentliche Kündigung / Abmahnung

07 Jan 2021

Ordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung auch ohne Abmahnung möglich

Häufig wird eine fristlose Kündigung des Vermieters wegen einer Pflichtverletzung des Mieters mit einer ordentlichen Kündigung nach § 573 BGB begründet. In der Rechtsprechung des BGH wird  grundsätzlich davon ausgegangen, dass es in diesen Fällen keiner Abmahnung bedarf und dass ein Mieter auch für Fehlverhalten seiner Besucher einzustehen hat.   

 

Hier ging es um die Störung des Hausfriedens:  Nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt voraus, dass eine Mietpartei die sich aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht (§ 241, Abs. 2 BGB) in schwerwiegender Weise verletzt: Mieter haben sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden. Hieran hält der BGH fest. Nachhaltig störend können damit auch sog. alltägliche Konflikte zwischen Mietparteien sein, wenn sie diese Voraussetzungen erfüllen ‒ wie hier (zahlreiche Beleidigungen und Bedrohungen von Mitmietern, zuletzt die Bezeichnung eines Mitmieters durch den Lebensgefährten der Beklagten als „Du Arschloch“).

Zum Erfordernis einer  Abmahnung:  Der BGH bestätigt, dass die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen schuldhafter erheblicher Vertragsverletzung des Mieters keine Abmahnung des Mieters durch den Vermieter voraussetzt. Sie kann aber je nach Fallgestaltung indizieren, dass die ordentliche Kündigung berechtigt ist. Das ist der Fall, wenn der Mieter die Abmahnung nicht beachtet und erst hierdurch die Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht erhält, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat oder eine Duldung des Vermieters zu vermuten war. Ob und wann dies der Fall ist, entzieht sich einer typisierenden Festlegung. 

Die Mieter wurden zur Räumung/ Herausgabe verurteilt. Die Vorinstanzen haben die ‒ neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise erklärte ‒ ordentliche Kündigung der Klägerinnen für begründet erachtet, weil die Beklagte den Hausfrieden nachhaltig gestört habe.

 Hiergegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Hierfür hat sie PKH sowie im Hinblick auf die angekündigte zwangsweise Räumung der Wohnung die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt, § 719, Abs. 2 ZPO. Der BGH  wies beide Anträge zurück.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte hat die Voraussetzungen zur Einstellung der Vollstreckung nicht dargetan, weil die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nach derzeitigem Sachstand unbegründet ist. Ein Grund für die Zulassung der Revision ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wurde bestätigt.

 

Eine grundsätzliche Bedeutung für eine Nichtzulassungsbeschwerde  liegt nur vor, wenn eine Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Die Rechtssache berührt dann das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, das heißt, sie ist allgemein von Bedeutung, § 543, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Frage, welche Bedeutung eine Abmahnung, die vor einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses erklärt wurde , für die hiermit verbundene hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses hatte, ist ‒ soweit dies abstrakt möglich ist ‒ dem Grunde nach geklärt und entzieht sich weitgehend einer generalisierenden Betrachtung. Der BGH hat sich hierfür auch auf seine Entscheidung vom 28.11.2007, VIII ZR 145/07 berufen.

Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das Berufungsgericht hat den Begriff der „Nachhaltigkeit“ der Störung des Hausfriedens nicht verkannt. Die tatrichterliche Würdigung zeigt keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler.

 Schließlich ist die Revision auch nicht aus Gründen der Rechtsfortbildung zuzulassen. Die Grundsätze sind hinreichend geklärt, unter denen sich ein Mieter das Verhalten von Besuchern (hier des Lebensgefährten) zurechnen lassen muss (§ 278) BGB und dieses demnach bei der Frage einer Vertragspflichtverletzung zulasten des Mieters berücksichtigt werden kann. Ob die Voraussetzungen hierfür im Einzelfall vorliegen, entzieht sich einer typisierenden Festlegung.

 

Die Entscheidung ist also für folgende Fragen erheblich:

- Relevanz der Abmahnung § 573, Abs. 2 Nr. 1 BGB für die ordentliche Kündigung,

- Alltägliche Konflikte zwischen Mietparteien als nachhaltige Störung des Hausfriedens,

- sind Besucher des Mieters im Hinblick auf die Einhaltung des Hausfriedens Erfüllungsgehilfen?

 

 

 

 

 

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